Der 9. November 1989


Kurz und knapp:
Am 9. November 1989 waren wir im "Kleinen Haus", um uns "Die Ritter der Tafelrunde" von Christoph Hein anzusehen. Dieses Theaterstück (eine Komödie?) war im April 1989 kurz nach seiner Uraufführung verboten und erst zum Herbst wieder zur Aufführung zugelassen worden. Und wir hatten Karten bekommen!
Nach der Pause zum 3. Akt trat eine Theatermitarbeiterin auf die Bühne und sagte, daß in Berlin eigenartige Dinge passieren würden, und wer möchte, kann nach der Vorstellung im Foyer an einer Diskussionsrunde teilnehmen, vielleicht wisse man bis dahin auch mehr. Wir wollten.
Zu Beginn der Diskussionsrunde wurde berichtet, daß im Fernsehen Bilder zu sehen seien, wo in Berlin die Leute auf der Mauer hockten und mit den Beinen baumelten... Besser hätten die Ereignisse in Berlin nicht zu dem Theaterstück passen können. *)
Erst zuhause sahen wir es dann mit eigenen Augen, und es wurde eine kurze Nacht.

... wo war ich am 19. Dezember 1989?
Das war der Tag der Kohlrede vor der Ruine der Frauenkirche. Natürlich war ich da, es war ja im Stadtzentrum und nur wenige Schritte vom Robotrongebäude entfernt. Auf dem Weg zur Frauenkirche kam ich am Gewandhaus vorbei. Da beobachtete ich etwas sehr Seltsames:
In der Zufahrt zum Gewandhaushotel standen einige, vielleicht sechs oder gar acht, Busse. Die Busse hatten Bayreuther Kennzeichen!
Auffällig waren die Personen, die aus den Bussen kamen, in ungewöhnlichen Lederjacken, vor allem so gehäuft auftretend, forsch deutsche Fahnen schwenkten, sich sehr "revolutionär" zeigten und sehr zielgerichtet in Richtung Frauenkirche vor mir herzogen. Vor der Frauenkirche standen sie dann in einer Gruppe seitlich von mir, daran erkenntlich, daß dort eine Konzentration an Fahnen bestand, die wild geschwenkt wurden.
Aus dieser Ecke kam Unruhe, und es wurde dazwischengerufen. Die sollen nur still sein, dachte ich mir so. Ich wollte niemanden provozieren und die gewünschten Veränderungen nicht in Gefahr bringen. Aber irgendwann wurde es dann laut und lauter und dann riefen diese Typen "Deutschland einig Vaterland", ... und ich rief mit...

Erst einige Zeit später wurde mir klar: die Rufer waren keine DDR-Bürger. Es waren, von wem auch immer, angekarrte Claqueure...
Wegen dieser Erkenntnis haben für mich auch die Leipziger "Wir sind ein Volk"-Rufer einen faden Beigeschmack. Wir wollten etwas Anderes, keine Vereinnahmung der DDR.

... und was daraus entstand

       

     


... und wo war ich am 03. Oktober 1990?
Da war ich mit einer Tochter zusammen Plakatekleben "Willkommen Deutschland" an der Carolabrücke vor dem Landtag, den ganzen Vormittag, auf einem Tapeziertisch, über 100 Plakate.

*)
Die "Äußerungen nach Bühnenaufführungen" auf Wikipedia zu den "Rittern der Tafelrunde" zeugen von Unkenntnis der Wessis über die Lage und die Verhältnisse in der DDR von 1989!

Letzte Bearbeitung: 16. 06. 2018
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